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Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Fachbereich Katholische Theologie/

Katholische Fernseharbeit beim ZDF


Friedhelm Greis


Wintersemester 1993/94

Blockseminar Pastoraltheologie:

Die Artikulation des Religiösen. Werden die Gesellschaft und die Medien wieder religiös?

Leitung:

Prof. Dr. Stefan Knobloch, Wolfgang Fischer, Eckard Bieger SJ, Judith Faul-Burbes



Untersuchungen zur Religiosität im Medium Film anhand des Spielfilms "Leolo"



Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Was ist Religion?
  3. Kommunikationsbeziehungen und Religiosität im Medium Film
    1. Transzendenz im Medium Film
  4. Analyse des Films "Leolo"
    1. Entstehung und Inhalt
    2. Handlungsverlauf
    3. Einsatz von Symbolen in "Leolo"
      1. Einsatz der musikalischen Elemente
      2. Verwendung des Lichts
      3. Das Element des Wassers in "Leolo"
      4. Das Kreuz als Symbol
      5. Bedeutung der Symbole in "Leolo"
  5. Ist "Leolo" ein "religiöser" Film?
  6. Schlußbemerkung
  7. Literaturnachweis

Einleitung

Ausgehend von der im Seminar Pastoraltheologie "Die Artikulation des Religiösen. Werden die Gesellschaft und die Medien wieder religiös?" gemachten Erfahrung, daß nicht alle kirchlich produzierten Sendungen den beanspruchten religiösen Inhalt besitzen, andererseits aber zahlreiche nicht-kirchliche Produktionen eine religiöse Problematik behandeln oder religiöse Elemente verarbeiten, soll in der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen werden, wie der der Untersuchung zugrundeliegende Film "Leolo" in dieser Beziehung einzuschätzen ist. Im Laufe unseres Seminars hatte sich herauskristallisiert, daß der Religion in der Soziologie in systemtheoretischer Hinsicht besonders die Funktion der Kontingenzbewältigung zugeschrieben wird; zum anderen haben wir bei der Untersuchung populärer Unterhaltungssendungen festgestellt, daß diese häufig auf religiöse Symbole rekurrieren, um beim Zuschauer bestimmte Effekte hervorzurufen.

Aus der Verbindung dieser beiden Elemente heraus entstand das Interesse an der Analyse des Films "Leolo". Zum einen sind dessen zentrale Themen die der Identitätsfindung und Kontingenzbewältigung in einer bedrückenden Umwelt; zum anderen wird sich auf der Darstellungsebene vieler Mittel bedient, die religiöse Analogien besitzen. Da die konkrete Handlung vernachlässigbare traditionell religiöse Bezüge aufweist, ist der Ausgangspunkt der Auseinandersetzung die Vermutung, daß ein Individuum eine eminent religiöse Problematik pseudo-religiös zu bewältigen versucht, aber da innerhalb dieses Prozesses die wichtigsten religionskonstituierenden Elemente fehlen, dieser Versuch zum Scheitern verurteilt ist.

Daraus ergibt sich zunächst die Aufgabe, zu zeigen, was m.E. religionskonstituierende Elemente sind und auf welche Weise diese im Medium Film verarbeitet werden können. Im Anschluß daran soll konkret auf Inhalt und Aufbau des zu untersuchenden Films eingegangen werden, unter besonderer Berücksichtigung der Verwendung und des Einbaus religiöser Elemente, wie sie in den Vorüberlegungen herausgearbeitet wurden. Zu guter Letzt sollte es möglich sein, die Frage nach der Religiösität des Films beantworten zu können.

Was ist Religion?

Im Bereich der Theologie, Religionsphilosophie und Religionswissenschaften versuchen Theologen und Philosophen das Phänomen "Religion" auf unterschiedlichste Weise zu definieren, das heißt, es von anderen Phänomenen abzugrenzen; jedoch scheinbar ohne Erfolg:

Die Formulierung eines Begriffs der Religion führt vor kaum lösbare Schwierigkeiten.[1]

Mit dieser lapidaren Feststellung beginnt H.R. Schlette seinen Artikel Religion im LThK. Im Anschluß daran wendet er sich gegen traditionelle religionsphilosophische und religionswissenschaftliche Definitionen und führt eine eigene, stark formalisierte an:

Religion zeigt sich dann als eine Weise menschlichen Existierens aus der Relation zu einem (nicht noch einmal zu überschreitenden und in diesem Verständnis "letzten") Sinn-Grund, der als das schlechthin Gründende und Sinnspendende die Deutung des Seienden im ganzen sowie aller Seinsbereiche (Mensch, Welt, Geschichte, Gesellschaft; Recht, Sittlichkeit, Kultur, Sprache, Wirtschaft) betrifft. Dieses Existieren aus einem als "absolut" oder "unbedingt" geltend erfahrenen und angenommenen Sinn-Grund entspricht der existentiellen Verwiesenheit auf eine "Absolutsphäre" (Max Scheler) überhaupt.[2]

Genanntes Existieren aus Beziehung kommt auch in folgenden Spruch zum Ausdruck:

Ich suchte Gott, und konnte ihn nicht finden;

ich suchte mich, und konnte mich nicht finden;

ich suchte meinen Bruder, und fand alle drei.

In diesem triadischen Spannungsverhältnis spielen sich m.E. alle religiösen Vollzüge ab, wobei auf keines dieser drei Elemente verzichtet werden kann, um das Ganze noch als religiös bezeichnen zu können. Religion spielt sich daher immer im Beziehungsdreieck Gott - Individuum - Gemeinschaft ab. Das heißt, in der Beziehung zwischen zweier dieser Pole muß der dritte stets mitgedacht werden. In diesem Rahmen lassen sich dann auch verschiedene Funktionen von Religion herausstellen, die sich aus der Art und Weise der Beziehung ergeben, wie z.B. Reflexion und Besinnung, Kontingenzbewältigung, Kritik und Prophetie, Diakonie etc., wobei zu bemerken ist, daß diese Funktionen auch z.T. auf a-religiöse Weise zu bewältigen versucht werden. Für einen Systemtheoretiker wie H. Lübbe wird Religion als Antwort auf das Problem der Kontingenz des Menschen hin funktionalisiert, obwohl sein Anliegen es gerade ist, die Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit von Religion aufzuzeigen. Dennoch läßt diese Sichtweise die Frage nach dem Wesen von Religion offen, - dessen Festlegung sicherlich nicht zu Lübbes Anspruch gehört. In diesem Sinne kritisieren auch Oser/Gemünder und K. Wuchterl dieses funktionalistische Konzept und ergänzen es durch den Verweis auf eine persönliche Beziehung zu einem transzendenten Wesen.[3]

Aufgrund der obigen Ausführungen müßte es möglich sein, durch eine Analyse der Beziehungsstrukturen, die für Denken und Handeln der Personen relevant sind, die Frage nach der Religiosität eines Phänomens einzugrenzen.

Kommunikationsbeziehungen und Religiosität im Medium Film

Ähnlich einem literarischen Kunstwerk kann es in einem Film ebenfalls verschiedene Kommunikationsbeziehungen geben.[4]

Gattungsmäßig steht der Film dem Drama sehr nahe, jedoch besitzt er im Prinzip alle Möglichkeiten der literarischen Erzählrede.[5] Für die Analyse eines literarischen Werkes ist im allgemeinen die Beziehung Erzähler-implizierter Leser von Bedeutung. Dieses Verhältnis tritt im Film jedoch zurück, da das Geschehen sich meistens selbst erzählt und niemand das Drehbuch liest, so daß die Relation Regisseur-(implizierter) Zuschauer übrigbleibt. Aus diesem Grund sollte bei der Frage nach der Religiosität eines Filmes zwischen den Beziehungsstrukturen der Handlung selbst und der Kommunikationsbeziehung Regisseur-Zuschauer unterschieden werden. Generell sollte noch überlegt werden, ob ein Film als solcher religiös sein kann - im Sinne einer Genrebezeichnung, - oder ob es lediglich um die Identifizierung religiöser Elemente innerhalb eines anderen Genres geht. Da Genrebezeichnungen sich auf die Handlungsebene beziehen, sollte eine solche Etikettierung gerade in bezug auf Religion vermieden werden.

Bei der Frage nach der Religiosität eines Films ist nach den Ausführungen in Kap. 2 die Einbeziehung einer transzendenten Größe in die Kommunikationsbeziehung erforderlich. Auch diese Beziehung kann auf beiden Ebenen stattfinden, wobei es oft schwerfällt, beide zu trennen oder einer, z.B. der Handlungsebene, wirkliche Religiosität abzusprechen. Dies könnte der Fall sein, wenn man Unterhaltungsproduktionen über ein kirchliches Milieu diesbezüglich betrachtet. Der transzendente Bezug ergibt sich in diesen Fällen notwendigerweise aus der Rolle der Protagonisten, aber wenn es dem Regisseur gelingt, eine glaubwürdige Darstellung dieser Relation zu erzielen und den Zuschauer darin einzubeziehen, ist eine solche Sendung für letzteren religiös.[6]

Ein weiteres Problem besteht noch darin, daß ein Film, wie jedes andere Kunstwerk auch, eine kommunikative Einbahnstraße darstellt. Im Normalfall wäre die reale Intention des Regisseurs, einen Bezug zu einer transzendenten Größe herzustellen, als Religiositätskriterium ausreichend. Was passiert jedoch, wenn der Zuschauer aus sich heraus z.B. allegorisierend transzendente (religiöse) Bezüge entdeckt, wogegen der Regisseur diese Elemente nicht eingeplant hat? Hier befindet man sich in einem ähnlichen Dilemma wie bei der christlichen Interpretation antiker (Vergil) oder biblischer Texte (Hohelied), die von Seiten der Rezipienten eine Umdeutung erfuhren und somit nachträglich "religiös" wurden.

Transzendenz im Medium Film

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß für die Religiosität eines Phänomens auch eine Beziehung zu einer transzendenten Größe erforderlich ist. Es muß daher auch Aufgabe eines Regisseurs bzw. Drehbuchautors sein, in einem "religiösen" Film diesen Bezug darzustellen und transparent zu machen. Ähnlich der kirchlichen Liturgie kann er sich dabei verbaler und nonverbaler Mittel bedienen. Da der Regisseur jedoch einen Film machen und keine Predigt halten will, sollen an dieser Stelle insbesondere die nonverbalen Mittel untersucht werden, da die verbalen sich auf die Handlungsebene beschränken. Gerade nonverbalen Ausdrucksmittel kann es zu eigen sein, das eigentlich Unsagbare, Unbeschreibliche noch erfahrbar zu machen. Im Bereich der nonverbalen Ausdrucksmittel von Transzendenz spielen besonders Symbole eine große Rolle. Mit ihnen ist es nicht nur möglich, u.U. beim Zuschauer Transzendenzerfahrungen hervorzurufen, sondern der Regisseur kann Symbole auch dazu benutzen, um entsprechende Transzendenzerfahrungen seiner Figuren zu verdeutlichen. Gerade im Film mit seinen technischen Möglichkeiten lassen sich solche Effekte leichter realisieren als in anderen Medien, so daß es einfacher ist, transzendente Bezüge implizit zu vermitteln, ohne sie eigens zu verbalisieren.

Diese Möglichkeit kann von Film- und Fernsehproduzenten auch dazu verwendet werden, genuin religiöse Vollzüge aus ihrem kirchlichen Rahmen zu entfernen und auf symbolische Weise die nicht explizit vorhandene Beziehung zu einen transzendenten Größe zu ersetzen.[7]

Analyse des Films "Leolo"

Entstehung und Inhalt

Der 1992 produzierte kanadisch-französische Spielfilm "Leolo" des kanadischen Regisseurs Jean-Claude Lauzon schildert die Eindrücke und Erfahrungen eines in einem Montrealer Armenviertel aufwachsenden Jungen am Beginn seiner Pubertät. Um diese zwiespältigen Eindrücke übermitteln zu können, bedient sich Lauzon der gesamten Bandbreite darstellerischer Mittel seines Mediums. So erschlägt denn beim ersten Betrachten der Film den Zuschauer mit der Eindringlichkeit seiner Bilder, der Flut an Metaphern, der Verschmelzung von Traum und Realität, dem gezielten Einsatz musikalischer Elemente und der poetischen Tiefe der Erzählsprache. Laut einer Kritik des Films[8] trägt dieser starke autobiographische Züge, so daß man ihn als Beschreibungsversuch der Identitätssuche und Kindheitserfahrungen des Regisseurs bezeichnen kann. Zentrales Thema sind daher die Darstellung der bedrückenden Familienstrukturen, aus denen der junge Leolo zum einen mit Hilfe seiner Träume fliehen möchte, und die er zum anderen durch das Aufschreiben seiner Gedanken zu verarbeiten versucht. Zum Träumen und Schreiben wurde Leolo durch ein Buch angeregt, das er eines Tages unter einem wackligen Tischbein fand, und das aus diesem praktischen Grund auch das einzige verfügbare Buch im Hause war. "Meine Familie wurde zu Figuren eines Romans, und ich sprach zu ihnen wie von Fremden," kommentiert der Erzähler (Leolo) seine Situation zu Beginn des Films.

Diese Aufzeichnungen gelangen in die Hände eines skurrilen Literaturliebhabers, der sie bei seiner tagtäglichen Suche nach Zeugnissen menschlicher Lebensschicksale in den Papierkörben der Stadt entdeckt und von der melancholischen Poesie des Jungen begeistert ist. Er versucht Leolo zu fördern, doch dem Determinismus eines naturalistischen Romans gleich, nimmt auch im Film das Schicksal seinen Lauf und läßt den Jungen schließlich im Kampf gegen den Wahn seiner Familie ebenfalls in der Psychiatrie enden, da er auch in seinen Illusionen keinen Halt mehr findet. Das Ende läßt zwar offen, ob durch medizinische Hilfe eine Rettung möglich und Leolo aus seiner Kommunikationsunfähigkeit befreit wird, jedoch muß es wohl gelungen sein, sonst könnte uns der Regisseur nicht aus seiner jetzigen Perspektive seine damalige Situation erzählen. Für die Analyse des Films ist es wichtig, daß sowohl eine testimoniale wie eine autobiographische Erzählrede vorliegt. Das heißt, einmal spricht Leolo aus der Perspektive des Erwachsenen, andere Male aus der Perspektive des Kindes, im besonderen aus den Aufzeichnungen.

Handlungsverlauf

Der Film versucht die Kindheitserfahrungen seines Protagonisten nicht in chronologischer Reihenfolge zu schildern, sondern bewegt sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Projektion und Realität hin und her. Die Schauplätze befinden sich in den heruntergekommenen Armenvierteln der kanadischen Metropole Montreal und der idyllischen Traumlandschaft Italiens. Die Erzählperspektive ist die Leolos, - lediglich der Dompteur der Verse, besagter Literaturliebhaber, führt ein davon unabhängiges Eigenleben. Leolos Gedanken werden als Kommentare von einem Erzähler vorgetragen, der mit einer Erwachsenenstimme ausgestattet ist und somit von Leolos Erfahrungen rückblickend aus den Aufzeichnungen und Erinnerungen berichtet.

Aus diesem Grunde läßt sich kaum von einer eigentlichen Handlung sprechen, sondern eher von einer Aneinanderreihung von Episoden, die Leolos Situation in seiner "verrückten" Familie deutlich machen. Figuren der Geschichten sind somit Leolo und seine Familienmitglieder, das sind im einzelnen seine Eltern, seine beiden Schwestern, sein Bruder und sein Großvater. Aus der Nachbarschaft der Familie ist noch das Mädchen Bianca von Bedeutung. Von außen greifen lediglich eine Psychiaterin und der Dompteur der Verse in das Geschehen ein, obwohl beide schließlich den tragischen Ausgang des Handlung nicht beeinflussen können.

Da die wesentlichen Ereignisse des Film in Verbindung mit Symbolen stehen, soll an dieser Stelle den späteren Ausführungen nicht vorgegriffen werden, sondern die konkreten Handlungselemente an Ort und Stelle erwähnt werden.

Einsatz von Symbolen in "Leolo"

Aus dem bisher über den Film Gesagten wurde schon deutlich, daß es in "Leolo" zweifellos um das Problem der Kontingenzbewältigung geht. Von daher soll im Folgenden die Darstellung des Transzendenten bzw. der Gebrauch von Symbolen im Mittelpunkt stehen. Als Regisseur steht Jean-Claude Lauzon vor der Aufgabe, die verschiedenen Wirklichkeitsebenen, auf denen Leolo sich bewegt, mit entsprechenden Mitteln und Effekten darzustellen und auch dessen Transzendenzerfahrungen zu übermitteln. Es leuchtet ein, daß Lauzon sich zur Illustration der Traumwelten und verschiedenen Realitäten bestimmter Indikatoren bedienen muß, die eine schnelle Identifizierung von Seiten des Zuschauers ermöglichen. Seinem Medium entsprechend arbeitet er in besonderer Weise mit Musik und Lichteffekten, zur Darstellung der Transzendenzerfahrungen in erster Linie mit Licht- und Wasseraufnahmen.

Einsatz der musikalischen Elemente

Von einem Titel abgesehen, wurde für "Leolo" keine eigene Filmmusik als solche komponiert. Dies liegt daran, daß der Regisseur es für wohl nötig befunden hat, ein Sammelsurium von Werken verschiedenster Epochen, Gattungen und Kulturkreise zu verwenden, um die einzelnen Filmszenen musikalisch adäquat zu unterlegen. Es fällt auf, daß bestimmten Situationen auch bestimmte Musikstücke entsprechen, die eine der Szene angemessene Stimmung hervorrufen sollen. Das Repertoire reicht dabei von fröhlicher über bedrohliche bis erhabener Musik und beinhaltet neben profanen auch sakrale Werke. Bei der Verwendung der Musik stellt sich die Frage, ob Lauzon bewußt sakrale Musik, wie z.B. Chorsätze vom Halleluja, Gloria, Spes in alium eingesetzt hat, um mit religiösen Erfahrungen verbundene Gefühle hervorzurufen bzw. darzustellen. Dies würde auch voraussetzen, daß mit dieser Art von sakraler Musik vom Zuschauer intuitiv entsprechende Gefühle von Erhabenheit, Ergriffensein und Glück assoziiert werden.

Besonders in Szenen, in denen Leolo Gemeinschaft und Beziehung erfährt - sei es mit seinem Bruder oder dem Dompteur der Verse, - setzt Lauzon sakralen Chorgesang als Hintergrundmusik ein. Natürlich sind gerade die liturgischen Gesänge wie das Halleluja oder das Gloria von einer eminent positiven (Hoffnungs / Freuden) Stimmung getragen, die Lauzon in diesen Augenblicken ausdrücken wollte, so daß er sich dieser Musik bediente.

Im Gegensatz dazu werden vor allem fremdartig klingende Werke eingesetzt, wenn es gilt, eine bedrohliche und bedrückende Atmosphäre zu schaffen. Bei den Aufenthalten und Besuchen in der psychiatrischen Anstalt werden orientalisch klingende Werke eingespielt. Eine zentrale Rolle spielen auch tibetanische Gesänge, die eine besonders bedrohliche Stimmung erzeugen.

Weitere Musikstücke sind aus dem Bereich der Rock- und Popmusik entnommen und werden zur Untermalung typischer Jugenderfahrungen Leolos verwendet. Lediglich ein Werk wurde eigens für den Film komponiert. Es ist ein Liebeslied, das von Leolos angebetetem Nachbarmädchen Bianca vorgetragen wird und ebenfalls exakt Leolos Gefühle zu ihr reflektiert.

Insgesamt kann nicht behauptet werden, daß ein musikalisches Motiv im Sinne eines Leitmotivs dominiert; im ganzen gesehen überwiegt jedoch der melancholische und bedrohliche Aspekt. In der Regel wird die Musik in der Weise eingesetzt, daß sie der Handlung vorgreift, so daß mit dem Einsetzen einer bestimmten Musik schon die Stimmung der nächsten Szene angedeutet und die vorhergehende aufgelöst wird.

Verwendung des Lichts

Das Licht kann im Vergleich zur Musik eher als Symbol bezeichnet werden und dient nicht nur zum Hervorrufeng einer Gemütsstimmung. In der christlichen Liturgie findet es in diesem Sinne ebenfalls vielfach Verwendung, besonders in der Osternacht als Symbol des Auferstandenen. Selbst das Weihnachtsfest ist bekanntlich aus dem heidnischen Fest des Sonnengottes zur Wintersonnenwende hervorgegangen. Das Licht eines Feuers oder eine Kerze symbolisiert das Lebendige, Warme, Helle und Reine. Im Blitz des Gewitters besitzt das Licht auch eine bedrohliche Komponente, da seine geladene Energie sehr zerstörerisch wirken kann. Der strahlende Glanz der Sonne war alle Zeiten hindurch ein Inbegriff göttlicher Macht und Herrlichkeit. Leolo beschreibt seine Erfahrungen mit dem Licht auf folgende Weise: "Soweit ich mich erinnern kann, sind es die Gerüche und das Licht, die meine ersten Erfahrungen miteinander verbinden."

Im Film selbst werden alle drei obengenannten Aspekte verwendet, jedoch ziehen besonders zwei die Aufmerksamkeit auf sich. Zum einen ist es der häufige Gebrauch von Kerzen, die in der Regel gleich in einer Überfülle benutzt werden. Eine Kerze ist in der heutigen Zeit eine nur für besondere Zwecke gebrauchte Lichtquelle. Ihr haftet somit der Hauch des Antiken, Romantischen, Erhabenen und Sakralen an. Eine Person, die ihr gesamtes Haus lediglich mit Kerzen erleuchtet, vereinigt diese Attribute auf sich und erscheint nebenbei noch ziemlich weltfremd. In ein solches Ambiente versetzt der Regisseur den Dompteur der Verse. Dieser wird so als ein Wanderer zwischen zwei Welten geschildert: Von außen, das heißt auf der Straße, erweckt er den Eindruck eines gewöhnlichen Stadtstreichers, wogegen sein illustres Domizil ein riesiges mittelalterliches Kloster zu sein scheint, in dessen von Kerzen erleuchteten Gewölben sich seine "gesammelten" Schriftstücke und Bücher türmen. Alles an dieser Szenerie erscheint irreal, ein gigantisches Archiv von Zeugnissen menschlicher Lebensschicksale. Der Dompteur der Verse erhält so die Funktion eines Verwalters und Konservators menschlicher Gefühle und besitzt geradezu göttliche Einblicke in die Seelen der Menschen. In der letzten Szene des Films schließt er gewissermaßen das Akte Leolo ab, indem er seine Aufzeichnungen in den Keller trägt und im Kreise seiner Skulpturensammlung deponiert.

Weiterhin werden Kerzen in einer Szene verwendet, in der Leolos Schwester im Keller ihres Hauses wie eine Luzienbraut in leicht verwirrtem Geisteszustand die Insektensammlung ihres Bruders bewacht. Auch in diesem Fall unterstreicht der Gebrauch von Kerzen das absurde, bizarre und irreale der Situation. In einer Sodomie-Szene mit Leolos Freunden sticht ebenfalls die Verwendung der Kerzen ins Auge, als wollten die Jugendlichen damit ihrer Handlung einen sakralen Charakter verleihen.

Eine starke, rein symbolische Funktion besitzt das Licht auch in solchen Filmszenen, wo es scheinbar wie eine übernatürliche Kraft aus Leolos Kleiderschrank herausstrahlt während der Junge am Schreiben und Träumen ist. Leolo selbst bringt das gleißend helle Licht mit Bianca in Verbindung, das Mädchen aus der Nachbarschaft, in das er heimlich verliebt ist, so daß diese zarten Gefühle ein wenig "Licht" in seine triste Existenz bringen. Natürlich beschränkt sich diese Beziehung ausschließlich auf Leolos Phantasie. Bianca verkörpert für ihn ein reines, unbeflecktes und unnahbares Wesen. Ihre sizilianische Herkunft läßt ihn vom gemeinsamen Paradies auf dieser Insel träumen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß diese "Beziehung" durch ein helles klares Licht symbolisiert wird, das einen ebenso blendet wie die Soldaten an Jesu Grab bei der Auferstehung geblendet wurden. Daß aber gerade Biancas Unschuld von Leolos Großvater beschmutzt wird, erzeugt bei Leolo starke Haßgefühle, die in einem Mordversuch auf den Großvater gipfeln. Schlimmer ist jedoch, daß Leolo selbst der geliebten Bianca untreu wird, so daß es ihm immer schwerer fällt, die Lichterscheinungen zu erfahren. In der Szene des Films, in der Leolo zusammenbricht, ist statt des hellen Lichts aus dem Schrank nur noch der fahle Schein des Mondes wahrzunehmen, was die große Bedeutung des Lichts für die Spiegelung Leolos Seelenzustand deutlich macht.

Das Element des Wassers in "Leolo"

Der symbolische Gebrauch des Wassers findet in diesem Film z.T. auf einer Metaebene statt, da Leolo selbst über die Bedeutung des Wassers für ihn reflektiert. Des weiteren wird es sowohl von seinen positiven wie negativen Aspekten her gezeigt, außerdem in Verbindung mit Licht. Der erste Eindruck, den es erweckt, ist eher ein negativer. Der Säugling Leolo sitzt während eines fürchterlichen Gewitters auf seinem Töpfchen und versucht verzweifelt dem Befehl seines Vaters nachzukommen, seinen Darminhalt zu entleeren. Leolos Vaters hat die Obsession, daß die Gesundheit des Menschen von einer guten Verdauung herrührt und verabreicht so der ganzen Familie regelmäßig starke Abführmittel. Wassermassen und Blitze verstärken so den Eindruck Leolos, einer lebensbedrohlichen Macht unterworfen zu sein.

Auch in einer weiteren Szene ist Leolos Leben stark durch das Wasser gefährdet, da sein Großvater versucht, ihn im Planschbecken zu ertränken. Der Junge schildert sehr genau seine Empfindungen und Gedanken in dieser Situation, wobei er insbesondere das Auftreten eines hellen, starken Lichts hervorhebt. "Ich erinnere mich, daß ich keine Angst hatte, und daß ich von der Schönheit eines Schatzes geträumt hatte, vielleicht, weil ich wußte, daß ich schon tot war. Vor allem erinnere ich mich daran, wie weiß dieses Licht war, das ich zum ersten Mal sah."

Seine Mutter befreit ihn zum Glück aus dieser heiklen Lage, die von Leolo gar nicht so negativ empfunden wurde.

Andererseits wird er durch das Wasser von seiner Traumwelt Italien getrennt, denn es gehörte zur Sonntagsbeschäftigung seiner Familie, zum Hafen zu fahren und den Überseeschiffen beim Auslaufen in ferne Länder zuzusehen, - wohlwissend, nie eine solche Reise antreten zu können.

Auch in der vorletzten Szene des Films befindet sich Leolo im Wasser: nach seinem Zusammenbruch wird er in einer Eiswanne aufbewahrt, während man auf sein Erwachen wartet.

Das Kreuz als Symbol

In zwei Szenen des Films wird ein Bezug zu einem christlichen Umfeld deutlich, wobei sich der Regisseur eines Wandkreuzes bedient, um diese Relation anzudeuten. Die erste Verwendung findet auf der Ebene der Handlung statt und sorgt für einen Heiterkeitseffekt. Leolo versucht sich einer peinlichen Situation mit einer faustdicken Lüge zu entziehen: prompt fällt das Kreuz von der Wand. Leolo, sein Bruder und seine Mutter sind natürlich sehr erstaunt über diesen göttlichen Fingerzeig. Der Zuschauer ebenfalls, da bislang nirgendwo ein religiöser Bezug sichtbar wurde und die ganze Szene daher etwas deplaziert wirkt. Während der gesamten Handlung kommt der Regisseur ohne übernatürliche Kräfte aus, so daß diese Szene eher grotesk wirkt, als daß sie durch ihre Anspielung auf moralischen Anspruch der Religion überzeugt.

Die bereits erwähnte Sodomie-Szene, in der ein Freud Leolos sich bei einer Mutprobe an einer Katze vergeht, endet damit, daß die Kamera kurz auf das sich im Raum befindliche Kreuz schwenkt und diese Einstellung den Bruchteil einer Sekunde beibehält. Dadurch wird dieser Moment so flüchtig, daß er sich erst nach wiederholtem Betrachten des Films einprägt.

Der Schwenk auf das Kreuz liegt nicht auf der Handlungsebene, sondern auf der Ebene Regisseur/Zuschauer, das heißt nicht auf der testimonialen, sondern auf der autobiographischen und somit reflektierten Ebene. Es ist kaum vorstellbar, daß Leolo in diesem Augenblick das Kreuz wahrnimmt, viel eher dagegen, daß der Regisseur kurz den Blick des Zuschauers darauf lenken möchte. Es ist nun wichtig zu fragen, was Lauzon mit diesem Kreuz symbolisieren will. Leolo kommentiert die Sodomie-Szene mit bissigen Bemerkungen über die bürgerliche Fassade der Mutter ihres Freundes, die sich darum sorgt, daß ihr Söhnchen heimlich rauchen könnte und dabei übersieht, daß er sich aus Frust und Langeweile mit Drogen vollpumpt und sich prostituiert. Die Einblendung des Kreuzes als Abschluß dieser Szene wirkt selbst wie ein großes Fragezeichen, das auf der einen Seite die strenge Moral des Christentum repräsentiert, die zu dieser perversen Handlung in scharfen Gegensatz steht, zum anderen auch die Ideale einer christlichen Gesellschaft symbolisieren könnte, in der Erwachsene und Kinder sich ohne Angst gegenseitig annehmen und nicht durch eine Mauer von Ignoranz und Sprachlosigkeit voneinander getrennt sind. Hätte Lauzon mit dieser Anspielung etwas Konkreteres aussagen wollen, müßte die Einstellung länger dauern, um dem Zuschauer Zeit zum Nachdenken bzw. bewußtem Wahrnehmen zu geben.

Im Gegensatz zur ersten Szene bleibt das Kreuz in diesem Falle zumindest hängen, obwohl es sicherlich mehr Grund zum Herunterfallen hätte.

Bedeutung der Symbole in "Leolo"

Aus den Ausführungen geht hervor, daß die im Film verwendeten Symbole zum einen auf der Handlungsebene verwendet werden und der Regisseur versucht, mittels dieser Zeichen Leolos Gefühle zu übermitteln, wozu sowohl Angst, Bedrückung und Haß, wie auch Glück und Liebe gehören. Zur Darstellung von Leolos Transzendenzerfahrungen bedient er sich ebenfalls der genannten Symbole, die natürlich auch innerhalb der Religionen Verwendung finden. In bezug auf die Musik, die sicherlich weniger als Symbol bezeichnet werden kann, geht es in erster Linie um das Hervorrufen von Emotionen beim Zuschauer, wobei diese natürlich mit dem Gefühlzustand des Protagonisten bzw. dem Handlungsgeschehen korrespondieren sollen, so daß die Musik gleichzeitig Leolos Gemütszustand widerspiegelt.

Nicht zur Handlungsebene gehören m.E. die zweite Einbeziehung des Kreuzes und die Verwendung der Kerzen. Der Gebrauch der Kerzen dient zur Schaffung eines besonderen Ambientes, das hinsichtlich des Dompteurs der Verse schon ins Übernatürliche, Sakrale hineinreicht. Dies könnte die Bedeutung reflektieren, die diese Person im nachhinein für den Regisseur besessen hat, da aus seiner Biographie hervorgeht, daß dieser ihm später Studium und Filmkarriere ermöglichte.[9]

Das Kreuz symbolisiert zum Teil sicherlich die (christliche) Moral, weitere Spekulationen diesbezüglich sind schwer zu treffen und zu begründen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß hinter sämtlichen Symbole gerade nicht eine unabhängige transzendente Größe steht, sondern daß sie lediglich immanente Relationen widerspiegeln.

Ist "Leolo" ein "religiöser" Film?

Obwohl es inhaltlich in "Leolo" um Identitätsfindung und Kontingenzbewältigung geht, und in mehrfacher Weise Transzendenzerfahrungen eine Rolle spielen, hinterläßt der Film nicht nur subjektiv, sondern nach den in Kap. 2 angegebenen Kriterien auch "objektiv" den Eindruck, ein höchst a-religiöser Film zu sein, sowohl in bezug auf die Handlungsebene, wie auch auf der Ebene Regisseur-Zuschauer. Was die Handlungsebene betrifft, sind in dem Teil der Kindheit Leolos, der im Film dargestellt wird, in sehr geringer Weise religiöse Vollzüge oder eine religiöse Sozialisation erkennbar.

Nach der in Kap. 2 getroffenen Definition ist die Sozialisation auch nicht das Kriterium, das die Frage der Religiosität beantwortet. Doch gerade nach dieser Definition kann man "Leolo" von der Handlungsebene her nicht als "religiösen" Film bezeichnen, da Leolo weder eine Beziehung zu einer echten transzendenten Sinn-Grund besitzt noch innerhalb seiner Mitmenschen tragende Beziehungen aufbauen kann. In diesem Sinne kann man Leolos Bemühungen als Negativfolie für Religion sehen. Damit soll nicht behauptet werden, daß Leolos Scheitern auf mangelnde Religiosität zurückzuführen ist. Vielmehr kommt durch das Fehlen von (wenigstens) äußerlichen religiösen Elementen gerade zum Ausdruck, daß ohne grundlegende mitmenschliche Beziehungen selbst derartige Äußerlichkeiten keinen Sinn haben, bzw. daß in Situationen absoluter Beziehungslosigkeit Religion nicht existieren kann. Die Psychiaterin bringt dies zum Ausdruck, indem sie sagt: "Wenn Du nicht mit mir sprichst, Leo[10], kann ich dir nicht helfen." Leolo antwortet darauf: " Wie kann ich mit Leuten reden, die noch nicht einmal meinen Namen kennen?"

Leolo versucht somit seine Identitätsfindung auf eine scheinbar transzendente Weise zu lösen. Er sieht er sich ständig dazu gezwungen, seine Realität zu übersteigen: in Form seiner Träume. Eine zentrale Aussage seiner Poesie, die auch das Leitmotiv des Films darstellt, lautet jedoch: "Weil ich träume, bin ich nicht." Es ist somit evident, daß Leolo in seinen Träumen und Phantasien nach etwas Transzendentem und Irrealen sucht, womit er seine Realität vergessen und verdrängen kann, aber dabei nicht die Existenz einer für sich transzendenten Größe annimmt, sondern die Personen seiner Umgebung zu solchen transzendiert. Ein einfaches Beispiel dafür ist sein selbst erfundener Schöpfungsmythos: Da Leolo eine starke Abneigung gegen seinen Vater entwickelt hat, gelingt es ihm nicht, sich mit seiner frankokanadischen Abstammung zu identifizieren. Aus diesem Grund versucht er, sich eine italienische Herkunft zu geben, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß er sich statt seines eigentlichen Namens Leo Lauzon selbst Leolo Lozone nennt. Seinen ungewöhnlichen Ursprung führt er darauf zurück, daß der Samen eines in eine Tomatenkiste onanierenden liebeskranken italienischen Landarbeiters auf diese Weise auf den Markt von Montreal gelangte, die Mutter Leolos in die Tomatenladung fiel und so befruchtet wurde. Dieser Schöpfungsmythos erscheint aufgrund seiner Immanenz und Unwahrscheinlichkeit wie eine Karikatur vergleichbarer Heldenmythen, reicht aber für Leolo aus.

Ähnlich ist auch seine Beziehung zu Bianca aufgebaut. In seinen Träumen ist sie seine große Liebe, in der Wirklichkeit wird sie mißbraucht und ist unnahbar. Damit wird deutlich, daß Leolo bald nicht mehr Traum und Realität auseinanderhalten bzw. seine falsifizierten Träume nicht mehr aufrechterhalten kann und unvermeidlich in den Strudel der für seine Familie typischen Schizophrenie gerät. Am Schluß kann er nur noch resigniert feststellen: "Ich träume nicht mehr."

Da der Film starke autobiographische Züge trägt, ist es schwierig, zwischen Erzähler, Protagonist und Regisseur zu unterscheiden. Doch auch auf der Ebene Regisseur-Zuschauer wird m.E. nicht erkennbar, daß Lauzon inzwischen, neben vermutlich besseren zwischenmenschlichen Beziehungsstrukturen, eine transzendente Bezugsgröße besitzt und in den Film einfließen lassen wollte. Der kurze Schwenk auf das Kreuz ist nicht aussagekräftig genug und sollte daher nicht überinterpretiert werden.

Schlußbemerkung

Die kurze Auseinandersetzung mit der Frage nach der Religiosität im Medium Film hat gezeigt, daß eine eindeutige Beantwortung dieser Frage durch verschiedene Faktoren sich schwierig gestaltet. Das grundlegende Problem, was Religion überhaupt ist, wird durch die Künstlichkeit der Filmrealität noch verstärkt. Die diesbezüglichen Probleme und Eigenarten dieses Mediums Film konnten in diesem Rahmen ebenfalls nur kurz angeschnitten werden. Es wurde jedoch deutlich, daß objektive Kriterien zur Beurteilung der Religiosität eines Films nur sehr schwer aufgestellt werden können, da die Interpretation eines Kunstwerks immer subjektiv ist und diesem oft nicht gerecht wird. Religiosität wurde im vorliegenden Falle mit der Beziehung und Einbeziehung einer transzendenten Größe in Kommunikations- und Beziehungsstrukturen umschrieben. Da Kommunikation immer auch mißverstanden werden kann - besonders wenn keine Rückfragen möglich sind, - besteht stets ein großer Interpretationsspielraum bei dem, was ein Künstler mit einem bestimmten Zeichen gemeint haben könnte. Letzten Endes geht es bei der Auseinandersetzung mit dem Thema auch nicht darum, festzulegen, was oder was nicht religiös ist, sondern durch die Beschäftigung mit religiösen Grundkonstituenten den Blick dafür zu schärfen, wo und wie sich in unserer "säkularen" Gesellschaft immer wieder Religion zu artikulieren versucht und wie wir selbst Religion als Grunderfahrung menschlicher Existenz vermitteln könnten.

Literaturnachweis

FAUL-BURBES, Judith: Mit Leib und Seele gegen Gott und die Welt. Mainz 1992

Himmlisches Schmuddelkind. In: DER SPIEGEL. 4/1993 168f

JANIK, Dieter: Literatursemiotik als Methode. Die Kommunikationsstruktur des Erzählwerks und der Zeichenwert literarischer Strukturen. Tübingen 1985

SCHLETTE, Heinz-Rudolf.: Art.: Religion. In: Lexikon für Theologie und Kirche.

Freiburg 21963

Copyright Friedhelm Greis 1994

 

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